Antwort 15 – Die 10.000 besten Tipps für ein gutes Leben

Antwort 15 – Die 10.000 besten Tipps für ein gutes Leben

Wenn Du dich selbst kritisierst, wessen Standards verwendest du dafür?

Ich bin 51 Jahre alt und lebenserfahren. Natürlich verwende ich ausschließlich meine eigenen, gut geprüften und bewusst so entschiedenen Regeln und Standards und orientiere mich stets an meinen Werten, die den Kompass für mein klares Denken und Handeln hin auf meine Ziele ausrichten. Ich bin schließlich Coach! Alles andere wäre eine Bankrotterklärung.

Und dann lese ich ein Buch wie „Untamed“ – „Ungezähmt“ von Glennon Doyle und kann es nicht in einem Rutsch durchlesen, weil mir beim Lesen klar wird, dass ich immer noch viel zu oft meinen anerzogenen und konditionierten Mustern folge, ohne dass ich mich bewusst dafür entschieden habe. Dass ich mich gerade in schwierigen Situationen automatisch an einen Verhaltenskodex halte, der wie eingefräst in meinem Hirn steckt und mir die Kompassnadel verstellt.

Wie kann das sein?

Skripte machen das Leben leichter

Vieles, was ich für mein Eigenes halte, ist gar nicht „meins“. Sondern es sind Skripte, Drehbuchvorschriften und Verhaltenskataloge, die von außen auf mich einprasseln. Manches davon schon seit langer, langer Zeit und immer wieder.

Es ist nützlich, diese Regeln zu kennen und sich nach ihnen zu richten. Das gibt einfach weniger Ärger. Und über die Zeit verfestigen sich bestimmte Verhaltensweisen immer mehr und laufen automatisch ab.

Autopilot macht das Leben eindeutig leichter.

Das Hirn ist ein Energiesparbrötchen und will es sich und mir möglichst einfach machen.

Sobald es ein Programm gibt, läuft das auch ab. Das sorgt für Sicherheit und das ist prinzipiell gut so. Das gilt vor allem für Stress- und Krisensituationen, wenn ich Angst habe oder mich verunsichert fühle. Dann greift das Hirn auf die „bewährten“ Programme zurück. Spult das ab, was „schon immer“ dafür gesorgt hat, dass es keinen Ärger gab. Das kann extrem nützlich sein. Muss es aber nicht!

Verschiedene Standards – welche sind „richtig“?

Es hat eine Weile gedauert, bis mir klar wurde, dass meine Unzufriedenheit auch daher kommen kann, dass es ganz unterschiedliche und vor allem widersprüchliche Standards gibt, an die ich mich versuche zu halten. Gleichzeitig.

Familienstandards – Mein innerer Kritiker sagt beispielsweise oft genau die Dinge, die auch meine Mutter hätte sagen können. Ihr würde das gefallen, weil sie damit quasi aus dem Grab noch mit mir spricht und Einfluss auf mich ausübt. Ich finde Geistergeschichten gar nicht so abwegig. Aber das ist eine andere Geschichte… In meiner Familie hat eben meine Mutter die Standards gesetzt. Vor allem dafür, wie man als „Frau“ so zu sein hat. Das hieß: Eigener Beruf (aber bitte familienkompatibel), eigenes Geld, unabhängig sein, Kinder bekommen, mach es allen recht, sei du selbst, hör auf mich, streng dich immer an, keine billigen Ausreden.

Ich bin katholisch geprägt aufgewachsen. Ich habe die Sonntagevormittage meiner Kindheit in der buchstäblichen katholischen Dorfkirche verbracht. Inklusive Pfarrer, der seine Predigt als Publikumsbeschimpfung angelegt hatte. Und selbst als wir irgendwann in eine Stadtkirchengemeinde wechselten, blieb der Tenor doch der gleiche: Du bist im Grundsatz erstmal übel und im Zweifel sogar „böse“. Als Mädchen und Frau sowieso. Sei gehorsam, mach, was man dir sagt. Bekenne regelmäßig deine „Sünden“. Dann wird’s vielleicht was mit dem Himmelreich. Wenn du tot bist…
…aber vorher gehörst du immerhin zur Gemeinde.

Die Gesellschaft hat natürlich auch immer noch ein Wörtchen dabei mitzureden, wie ich „als Frau“ so zu sein habe.
(Gilt für „Männer“ ganz genauso und es ist zum Haare raufen!)
Sei sexy und schlank. Aber nicht zu sexy, du Schlampe. Sei schlau, aber nicht zu schlau. Aber hab‘ eine erfolgreiche Karriere. Vor allem, wenn du schon keine Kinder hast, du egoistische Kuh. Am besten wäre beides. Sei für deine*n Partner*in da. Sorge dich um den Haushalt.  Mach es allen schön. Nimm es leicht. Sei nicht so anstrengend.

Schön, wie sich da manches aus allen drei Bereichen sinnvoll ergänzt und verstärkt. Und über die Berufs- und Geschäftswelt habe ich noch gar nicht gesprochen. Puh!

Das Wichtigste ist erst einmal zu erkennen, wo die Standards in meinem Kopf überhaupt her kommen. So ein paar eigene Ideen sind schließlich auch noch dabei. 😊

Stress, Spannungen und Unzufriedenheit können dann entstehen, wenn ich Ansprüche an mich stelle, die sich gegenseitig widersprechen oder wenn ich mich nicht entscheiden kann, welchem Standard ich folgen möchte, weil zwei oder mehr (!) „starke Regeln“ miteinander konkurrieren. Vielleicht konkurrieren auch Ziele miteinander. Wie soll ich mich da bloß „richtig“ entscheiden?

Sei individuell, aber tue dich nicht zu sehr hervor. Sonst gehörst du nicht mehr dazu!
Sei stark, mach dein Ding. Aber sei nicht zu stark. Dann bist du anderen suspekt.
Sei anspruchsvoll, sei kompromissbereit.

Was ist mir wichtiger?

Ent-Wicklung

Je fester ich in ein Set aus Standards eingewickelt bin, desto mehr Halt verspüre ich in meinem Leben. Ich weiß, was zu tun ist. Ich kann so schnell nichts falsch machen. Ich werde zur Gemeinschaft dazugehören, die denselben Standards folgt. Ich bin in Sicherheit. Es wird alles gut ausgehen. So das Versprechen.
Solange diese Standards tatsächlich meinen Werten entsprechen, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Dann ist die eingeschränkte (Handlungs-)Freiheit vielleicht noch nicht einmal ein Problem. Das vermag ich nicht zu beurteilen.

Wenn ich aber merke, dass mir das zu eng ist und ich beginne, mich aus dem Gespinst zu befreien, kann sich das erst einmal sehr wackelig, haltlos und unsicher anfühlen. Es tauchen ganz neue Fragen auf: Ob meine eigenen Standards funktionieren? Was möchte ich bewahren? Was geht gar nicht mehr? Macht mich das wirklich zufriedener?

Nach eigenen Standards zu entscheiden, zu handeln und zu leben kann sich seltsam und gefährlich anfühlen. Neben aller Aufbruchstimmung und Neugier auch Angst macht. Jedenfalls ging und geht mir das so.

Das Kappen von alten Schnüren, so einengend sie auch gewesen sein mögen, kann schmerzhaft sein. Genauso wie die Erkenntnis, dass ich etwas viel zu lange ausgehalten habe, um der Einhaltung irgendwelcher Standards willen, die entweder nicht wirklich meine eigenen sind oder schlicht sinnlos. Dass mir viel zu lange der Mut gefehlt hat. Solche Erkenntnisse tun weh.

Na super! Ich entdecke mich, meine eigenen Werte und suche meinen Weg und als erstes fühle ich mich erstmal eine ganze Weile unsicher, allein und ungewiss. Und die innere Kritikerin ist auch nicht schlagartig still. Im Gegenteil. Die wehrt sich und schlägt Krach! „Ach ja, so soll das jetzt also laufen?! Na, du wirst ja sehen, was du davon hast…Klappt ja super mit dem „Erfolg“…“

Das hat mir keiner vorher verraten! Scheint aber tatsächlich dazu zu gehören. Genauso wie das Risiko, so richtig gründlich daneben zu liegen. Dazu noch ohne die Möglichkeit zu schmollen, wo denn die Belohnung bleibt, weil ich „doch alles richtig“ gemacht habe.

Stattdessen ist das alles meine Verantwortung. Und genauso soll es auch sein.

Denn genauso fühlt sich Freiheit an. Schrecklich und ganz wunderbar.

Welche Standards verwende ich also, wenn ich mich selbst kritisiere?

Das kommt darauf an.

Es gibt diese automatischen Gedanken, die einfach so hochgespült werden. Deren Auftauchen kann ich nicht wirklich kontrollieren. (Ich sag‘ nur: Denk jetzt nicht an einen rosa Elefanten!)

Vor allem, wenn ich gestresst bin, fällt mir das schwer. Oder wenn ich mich mit anderen vergleiche, die das „Gleiche“ machen wie ich.

Inzwischen weiß ich, dass es nicht klug ist, den Elefanten im Raum zu ignorieren, dazu nimmt er einfach viel zu viel Platz weg, aber ich kann ihn mit Erdnüssen nach draußen locken, dann stört er nicht mehr so.

(Wie das mit den Erdnüssen geht, erzähle ich am nächsten Mittwoch etwas ausführlicher.)

Immer öfter verwende ich aber die Standards, für die ich mich bewusst entschieden habe. Das fällt mir leichter, wenn ich in Ruhe dasitze und entspannt nachdenke. Mir meine Handlungen und Erfolge klar mache, die unter meinen Rahmenbedingungen, mit meinem Wissen und mit meinen derzeitigen Fähigkeiten jetzt entstanden sind. Ohne mich mit anderen zu vergleichen (über deren Wissen, Hintergrund, Bedingungen ich meistens nicht genug weiß.)

Kurz: Wenn ich fair mit mir selbst umgehe.

 

 

 

 

 

 



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