Mir ist egal, was andere von mir denken! Oder? – Antwort 59
Darum geht es
Was wäre das Schlimmste, das andere über dich sagen könnten?
Die Antwort auf diese Frage fällt mir überraschend schwer.
Ich kann gleich mehrere Stolpersteine erkennen, die mir eine gradlinige Antwort erschweren.
- Die Antwort kann mir etwas über meine Werte erzählen.
Das finde ich prinzipiell zwar interessant, aber auch wieder nicht so spannend für diese Antwort.
Klar, wenn mir Ehrlichkeit wichtig ist, wäre es mir mehr als unangenehm, als Lügnerin bezeichnet zu werden. Aber das ist für mich nicht der Knackpunkt dieser Frage. - So etwas wie Rufmord gibt es ja tatsächlich!
An so etwas denken wir im allgemeinen nur nicht. Aber üble Nachrede ist ein Straftatbestand.
Deshalb finde ich den nächsten Punkt auch nur bis zu einer gewissen Grenze gültig. Denn irgendwann gibt es reale negative Folgen, dann ist definitiv Schluss mit „mir doch egal“.
- Sollte mir nicht egal sein, was andere von mir denken?
Warum ist mir das überhaupt so wichtig, dass ich diesem Thema eine Frage widme?
Warum ist es mir doch nicht egal?
Das mir nicht so wichtig ist, was andere von mir denken, kann höchstens für Menschen gelten, die mir nicht so nahe stehen. Wer mich gut kennt, wird zumindest Dinge, die in unserem Miteinander nicht auftauchen, nicht ernst nehmen.
Da sind wir aber auch schon bei der nächsten frage: Was ist mit Verhaltensweisen, die ich nur im Zusammenhang mit bestimmten Menschen zeige?
Vielleicht verhalte ich mich gegenüber Person XY ja tatsächlich beispielsweise unterkühlt und unfreundlich.
Da wäre es natürlich nicht so vorteilhaft für mich, wenn das bei Menschen, die mich mögen, „rauskommt“!
Womit wir bei Punkt drei gelandet sind: - Ich glaube, dass mich etwas nur dann treffen kann, wenn es einen wunden Punkt bei mir berührt.
Wenn ich weiß oder ahne, dass die Vorwürfe zumindest einen wahren Kern haben könnten.
Dann fühle ich mich durchschaut und erkannt. Das kann mich natürlich treffen und damit verletzen.
Gut fühlt sich das nicht an. Da hilft dann nur noch Ehrlichkeit mir selbst gegenüber.
Update: 05.11.2021
Das Ganze ist tatsächlich ziemlich „tricky“, denn
Ich mache mich verletzbar, wenn ich darüber schreibe, was mich WIRKLICH treffen könnte.
Ich bin doch nicht so blöd und schreibe auf diesem öffentlichen Blog, wie man mich wirklich fertig machen könnte.
Wenn ich in Ruhe darüber nachdenke ist das natürlich Quatsch: Wahrscheinlich würde nicht viel passieren. So groß ist die Leserschaft in dieser entlegenen Ecke des Internet nun auch wieder nicht. Und anzunehmen, dass ich so große Feinde habe, dass sie die ganze Zeit nichts anderes tun, als darauf zu lauern, wie sie mir schaden können, grenzt auch an Hybris. Da brauche ich mir gar nichts vormachen.
Ich glaube inzwischen aber auch noch etwas anderes und das finde ich viel wichtiger:
Für lange Zeit habe ich nicht unterschieden zwischen unfreundlich, arrogant, wütend, gemein usw. zu handeln und ein grundsätzlich arroganter, wütender, gemeiner Mensch zu sein.
Inzwischen glaube ich, dass alle negativen Verhaltensweisen in jedem von uns prinzipiell vorhanden sind. Manches kommt zum Vorschein, weil die Umstände es erfordern und manches eben nicht.
Wenn ich zunächst einmal für mich erkenne, welche ungünstigen oder sogar negativen Verhaltensweisen ich zeigen kann, dann ist schon viel gewonnen. Denn dann kann ich mich dafür entscheiden, diesen Verhaltensweisen auf den Grund zu gehen und versuchen herauszufinden, warum ich mich so verhalte.
Wenn ich mich dafür schäme, „ein schlechter Mensch“ zu sein, komme ich nicht weiter. Denn wenn ich mich für etwas schäme, schaue ich mir die unerwünschte Verhaltensweise garantiert nicht näher an. Dann verstecke ich sie möglichst gut. Vor mir selbst und vor andren. So lange, bis sie wieder auftaucht, dann schäme ich mich wieder usw. usw.
Scham ist ein scheußliches Gefühl, weil es uns aus Verbundenheit mit anderen herauskatapultiert. Es taucht allerdings super schnell auf, wenn ich meine, eine negative Verhaltensweise wäre ein Zeichen meines grundsätzlich „schlechten “ Charakters.
Die wirklich spannende Frage lautet also: Wofür schäme ich mich so sehr, dass ich selbst nicht hinschauen mag? Das sind dann die „dunklen Ecken der Seele“, in die um Himmels Willen niemand ein Licht leuchten soll.
Es ist aber sehr wichtig, dass wir das in einer ruhigen Minute selbst einmal tun. Mit Mitgefühl und viel Verständnis. Dann haben wir die Möglichkeit etwas daran zu ändern, indem wir verstehen, warum wir uns wirklich so verhalten, welches tiefe Bedürfnis dahintersteht. Es gibt immer einen guten Grund. Und es ist hilfreich den zu kennen. Denn erst dann kann ich das einem Verhalten zugrunde liegende Bedürfnis erkennen und mir überlegen, wie ich es auf angemessenere Weise befriedigen kann.