Ratschläge – gut gemacht, statt nur gut gemeint!- Antwort 47

Ratschläge – gut gemacht, statt nur gut gemeint!- Antwort 47

Frage 47: Was war der beste Ratschlag, den du je gegeben hast?

Diese Frage kann ich nicht beantworten, weil ich keine Ratschläge gebe, wie ich hier detailliert ausgeführt habe.

Deshalb schreibe ich jetzt über das Ratschlagen an sich…

Was habe ich eigentlich gegen Ratschläge?

Das ist schon etwas seltsam, vor allem so als Coach. Und Apothekerin. In beiden Jobs kommen schließlich Menschen zu mir, die in gewisser Weise Rat-los sind und das gemeinsam mit mir ändern wollen. Sie wollen etwas von mir. Warum sträube ich mich also so dagegen, das, was ich da gebe, auch Ratschlag oder Rat zu nennen? Denn natürlich gebe ich dann Rat. Was denn sonst? Ich unterstütze gerne Menschen dabei, dass es ihnen wieder besser geht. Mental oder gesundheitlich. Oder beides. Und als Freundin sowieso!

Alles eine Frage der Definition?!

Für diese Antwort habe ich -wie angekündigt-ein bisschen rumgefragt. Ich wollte herausfinden, ob ich selbst (unerwünschte) Ratschläge verteile, obwohl ich Leute, die das tun, nicht leiden kann. Eine kleine Aktion also gegen einen möglichen „Blinden Fleck“.

Meine repräsentative Stichprobe (Danke, liebe Freundinnen! 😊) hat meine Befürchtung nicht bestätigt. Kein blinder Fleck. Jedenfalls nicht dort. Glück gehabt!

Durch die Antworten ist mir aber klar geworden, dass das Wort „Ratschlag“ alles Mögliche bedeuten kann. Es kann ein Feedback sein, das indirekt den Rat gibt, etwas zu verändern. Es kann darum gehen, meine Einschätzung zu etwas abzugeben. Oder meine Expertise und mein Wissen weiterzugeben, wenn jemand in einer Situation steckt, über die ich Bescheid weiß, weil ich es schlicht gelernt habe.

Ich würde auch nie jemanden unnötig „zappeln“ lassen, wenn ich eine nützliche Info habe, bloß damit diejenige es sich selbst „erarbeiten“ kann. Das würde mich umgekehrt auch kolossal nerven.

All das sind Möglichkeiten für Ratschläge oder Rat geben, die ich auch gut finde. Ich würde sie nur nicht so nennen. Sondern eben Feedback, Einschätzung oder Informationsweitergabe.

Ratschläge sind auch nur Schläge?!

Bei mir stellen sich die Nackenhaare beim Thema „Ratschlag“ auf, weil ich in meinem Leben ziemlich ätzende Erfahrungen mit Ratschlägen gesammelt habe. Die waren dann tatsächlich eher Schläge als empathische, echte Unterstützung. Ich war dann super-konsequent und habe mich „entschieden“, eben vor allem auf mich selbst zu vertrauen. Das hat mich zwar sehr selbständig gemacht und ich habe mir dadurch sicher einige blöde Erfahrungen mit übergriffigen oder unangebrachten Ratschlägern erspart. Der Nachteil ist aber, dass mir eben auch die guten Ideen entgangen sind. Und immer alles selbst rausfinden ist vor allem eins: Verdammt anstrengend!
Der Schutz vor Verletzung war also eine ganze Weile definitiv zu gründlich.

Was kann schon schief gehen?

Heute weiß ich besser, was ich mir von Menschen wünsche, die ich um Unterstützung bitte und welche Fallen ich selbst versuche zu vermeiden, wenn ich anderen helfe.

Die meisten Fallen haben damit zu tun, dass die Ratgeberin die eigene Perspektive nicht verlassen kann und/ oder zu wenig auf die andere Person eingehen kann. Entweder inhaltlich oder emotional.

Diese drei Fallen sind mir als besonders nervig eingefallen:

Die „Meine-Erfahrung-ist-universell“-Falle

Am übelsten finde ich diese Falle, auch „Lebenserfahrungsfalle“ genannt. Das kann erstmal ganz harmlos daher kommen: „Meiner Erfahrung nach…“ oder „Bei mir war das so…“. Wenn es dann gut läuft, wird wertvolles Wissen aus dem eigenen Erfahrungsschatz weitergegeben. Immer mit dem Hintergedanken: Es könnte für dich, heute, in deiner Situation auch anders sein.

Solange ich als Empfängerin nicht das Gefühl bekomme, ich müsste den Rat haarklein ganz genauso umsetzen oder „dürfte“ nichts ändern oder anpassen, ist alles OK.

Stutzig würde ich auch werden, wenn ich nicht nachfragen dürfte, nach Dingen, die ich nicht verstehe, die für mich nicht zusammenpassen oder für mich problematisch erscheinende Aspekte nicht ansprechen könnte. Weil das gegenüber dann eingeschnappt reagiert, zum Beispiel.

Eng verwandt ist auch die „Alterskarte“: „Komm du erstmal in mein Alter!“ oder „Mach du erstmal Erfahrungen im Leben!“

WEnn die gespielt wird, ist es Zeit, die Beine in die Hand zu nehmen und sich zu verdrücken.

Die „Große-Schwester“-Falle

In eine eng damit verwandte Falle bin ich selbst oft genug getappt. Mein Bruder ist 12 Jahre jünger als ich und ich habe ihn bei der kleinen Umfrage gar nicht erst gefragt. Ich weiß auch so, dass er eine tendenziell andere Meinung zu der Frage: Gebe ich Ratschläge? hat. [räusper]

Die „Große-Schwester-Falle“ besteht darin, dass sie meint, den „kleine Bruder“ in und auswendig zu kennen und weiß, was er noch zu lernen hat. Das sagt sie ihm dann auch. Da sie mehr oder weniger der gleichen Generation angehört (jedenfalls nicht der Elterngeneration) kann sie sich auch noch einreden, viel „dichter dran“ zu sein. Richtig doof wird es, wenn die Schwester meint, die Rolle eines zusätzlichen Elternteils einnehmen zu müssen. Selbst angeeigneter Erziehungsauftrag. Autsch!

Diese Konstellation funktioniert auch bei Nicht-Geschwistern. Wenn es mehr oder weniger unterschwellige Konkurrenz gibt. Wenn es ums „Auftrumpfen“ können geht. Oder um schlichte Manipulation für den eigenen Vorteil. Interessant dabei auch der Aspekt: „Ich weiß doch, was gut für dich ist!“

Die „Ich-weiß-was-gut-für-dich-ist“-Falle

Diese Falle kann aber auch isoliert auftreten. Dann heißt sie manchmal „Coaching-Programm“. Und das ist etwas, was mir an meiner eigenen Branche fürchterlich auf die Nerven geht. Da werden Programme mit dem Versprechen verkauft, dass man sich nur „an den Prozess“ halten müsse und dann würde sich das jeweilige Problem in Luft auflösen. Immer! Es handelt sich um einen vordefinierten „Prozess“ wohlgemerkt. Menschen lassen sich ans Händchen nehmen und schalten manchmal sogar die eigene Wahrnehmung und eingebaute Notbremsen aus.

Wenn es dann doch nicht klappt mit der universellen Problemlösung, lag es natürlich nie am Programm, sondern an der mangelnden Mitwirkung, dem nicht genug dem Prozess vertrauen oder dem nicht genug „daran glauben“. GRUSELIG!

Ich habe nichts gegen gut strukturierte (Selbst-) Coaching-Programme. Ich benutze ja selber welche! Die können in manchen Fällen super-nützlich sein. Zum Beispiel beim Erwerb von genau definierten Fähigkeiten. Oder für Menschen, die noch nie ein Coaching gemacht haben und sich die Leitplanken und damit die Sicherheit eines Plans wünschen. Man weiß dann erstmal, was kommt. Da passt das!

Irgendwann sollte dann aber immer der Punkt kommen, an dem sich die Klientin vom Coach emanzipiert und die volle Verantwortung für den eigenen Prozess übernimmt. Selber bestimmt, wo es lang geht und vorneweg geht. Der Coach gerne dahinter als Back-up, Rückendeckung und Unterstützerin. Als Ratgeberin, wenn es darum geht, herauszufinden, was die Klientin braucht und will.

Aber niemand weiß, was gut und richtig für dich ist, außer du selber!
Kein Coach! Keine Freundin! Kein Partner!
Kein Programm!
Nur du!

Und damit sind wir an der letzten Falle angelangt:

Die „Retter oder Ich löse Probleme“-Falle

Das sind die Spezialisten, die ein bisschen zuhören, dann meinen alles verstanden zu haben und sofort mit DER Lösung um die Ecke kommen. „Da musst du doch einfach nur…!“

Nein, genau das MUSS ich eben nicht.

Vielleicht geht es dabei um wirklich schnell helfen wollen nach dem Motto: „Ich kann das sofort reparieren und dann ist alles wieder gut!“. Oder es ist eine geschickte Abwehrstrategie, um sich nicht näher mit der Sache auseinander setzen zu müssen, weil sie unangenehm ist und „die Sache“ möglichst schnell vom Tisch soll.

Wenn das passiert und es geht noch gar nicht um das Lösen des Problems, sondern erst mal um ein breit angelegtes Schildern, Beschreiben und Dampf ablassen, dann kann man das sagen. Am besten vor dem Gespräch: „Hey, hör mir bitte einfach erstmal zu. Ich bin noch nicht bereit für Lösungsvorschläge. OK?“

 

Das Thema Ratschläge ist damit noch lange nicht erschöpft. Es gibt noch viel verwandte Themen: Umgang mit ungebetenen Ratschlägen oder beleidigten Leberwürsten, die es nicht vertragen, wenn man den „guten Rat“ nicht umsetzt. … mal sehen, vielleicht schreibe ich dazu noch mal mehr…

Es hat mir Spaß gemacht, das Thema genauer zu beleuchten und mich auch mit meiner eigenen Haltung als Coach zu beschäftigen. Ich bin zu dem Ergebnis  gekommen, dass ich im Grunde gar nichts gegen Ratschläge habe. Nur gut gemacht müssen sie sein, nicht nur gut gemeint!



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