Das widert mich an! – Antwort 29

Das widert mich an! – Antwort 29

Zugegeben: Das Timing dieses Themas lässt etwas zu wünschen übrig!
Ostern und Ekel passen erstmal nicht ideal zusammen.

Wobei es natürlich Menschen gibt, die sich vor Hühnereiern ekeln. Wenn man mal genauer darüber nachdenkt, woher genau das Hühnerei kommt, wird das sogar ziemlich schnell ziemlich verständlich. Irks…

Der Ekelreflex ist angeboren

Der Ekelreflex – Würgen, Brechreiz, das Gesicht verziehen und die Nase rümpfen sind zwar angeboren. Wovor genau wir uns ekeln ist dagegen anerzogen und geprägt durch die Gesellschaft, in der wir unterwegs sind.

Ich finde ein Krabbenbrötchen total lecker, würde aber sehr sparsam gucken, wenn da stattdessen auf einmal Mehlwürmer drin steckten. Obwohl die sehr ähnlich aussehen.

Ekel kann man sich allerdings genauso ab- wie angewöhnen. Eltern, die Erbrochenes oder Katzen-Besitzer, die Haar-/Grasballen entsorgen müssen, wissen wovon ich rede. Pflegekräfte in Krankenhäusern müssen sogar solche universellen Ekelarten wie die vor Wunden, Eiter und Kot überwinden. Bestatter den vor Leichen. Sonst könnten sie ihren Beruf nicht ausüben und kranke Menschen oder Tote nicht mit dem nötigen Respekt behandeln.

Ekel zu überwinden, ist also möglich, wenn man weiß, wofür es gut ist.
Das hat dann etwas mit den eigenen Werten zu tun.

Ekel gegenüber Menschen oder deren Verhalten

Und dann gibt es da noch den interpersonellen Ekel – also Ekel, den ich gegenüber einer anderen Person oder deren Verhalten verspüre.

Was für ein Kotzbrocken!

Was für ein Ekelpaket!

Es ist so widerlich, was sie da tut!

Was er tut, finde ich zum Kotzen!

Sprache verrät mal wieder, was dahintersteckt. In diesem Fall etwas Ekelerregendes.

Mir war mein Personenekel nicht bewusst

Ich habe meine Abscheu gegenüber anderen Menschen erst kürzlich wirklich bewusst entdeckt. Natürlich habe ich schon Sätze wie die oben gesagt oder gedacht, aber ich war mir nicht klar, dass ich damit im Grunde meinem Ekel Ausdruck verleihe. So drastisch meine ich das doch gar nicht, oder? Sowas gehört sich nicht!?

Dieses körperliche Gefühl, dieses flaue Wabern in der Magengegend wirklich einmal als Abscheu oder noch krasser als Ekel gegenüber einer bestimmten Person zu benennen, hat sich für mich seltsamerweise jedoch erleichternd angefühlt.

Endlich hatte ich es klar und deutlich, in 3D und Farbe, vor mir, was mein Verhältnis zu diesem Menschen wirklich bestimmte.

[xy] kotz mich an!

Es ist ekelhaft, was [xy] getan hat.

Das ist ein toxischer Mensch für mich gewesen!

Ein Gefühl von ausspucken wollen, um den bitteren Beigeschmack von der Zunge zu bekommen, den die Gedanken an diese Person mit sich bringen!

Nicht schön das Ganze, natürlich nicht!

Das auszusprechen, aufzuschreiben ist trotzdem befreiend.

Bisher hatte ich gedacht, dass ich vor allem wütend auf [xy] gewesen bin. Aber Wut war in Wirklichkeit nur das sekundäre – überlagerte- Gefühl.

Dahinter steckte tatsächlich Abscheu! Das hatte ich nicht gedacht!

Gleichzeitig macht das aber die starke Abwehrreaktion erklärbar, die ich immer empfunden hatte. Diese Person war gefährlich für mich und mein Körper hatte mir das die ganze Zeit signalisiert:
„Mach dich vom Acker, das ist nicht gut hier! Das tut dir nicht gut!“

Mein Ekelgefühl hatte mir angezeigt, dass ich mich besser fernhalten sollte. Und das wäre besser für mich gewesen. Aus den verschiedensten Gründen ging das aber nicht so ohne weiteres. Vielleicht trat deshalb Wut auf den Plan, um mir einen Mindestabstand zu ermöglichen!

Jetzt ist Zeit für das wirklich dahinterliegende Gefühl!

Das erlaubt mir jetzt das endgültige Kappen einer Verbindung, die für mich nicht gut war. Es ist zwar nur noch das geistige Kappen möglich, weil der Mensch sowieso nicht mehr in meinem Leben ist, aber jetzt brauche ich eben auch die Wut nicht mehr.

Und das fühlt sich gut an! Ich glaube, das ist so, weil ich endlich bewusst das „richtige“ Gefühl fühle und kein darübergestülptes.

Sich Abscheu einem anderen Menschen gegenüber einzugestehen, kann schmerzhaft sein. Trotzdem glaube ich, dass es wichtig ist, auch dieses Gefühl zuzulassen. Denn dann kann ich es bewusst überprüfen und entscheiden, ob ich von einer bestimmten Person Abstand nehmen sollte, um mich zu schützen.

Ekel und Ungerechtigkeit

Ekel kommt auch auf, wenn wir uns zutiefst ungerecht behandelt fühlen, uns ein großes Unrecht geschieht oder auch, wenn wir Unrecht gegenüber anderen wahrnehmen.

Im besten Fall motiviert uns das – vielleicht auch über sekundäre Wut- in unserm Gerechtigkeitssinn und wir tun etwas dagegen.

Im schlimmsten Fall kann dieser Mechanismus aber auch benutzt und instrumentalisiert werden: Gruppen von Menschen werden dehumanisiert, ihnen gegenüber Ekel oder Abscheu geschürt, so dass es völlig gerechtfertigt erscheint, sie unmenschlich zu behandeln.

Ekel ist ein sehr mächtiges Gefühl, weil es unmittelbar mit lebensbedrohlichen Szenarien verbunden ist. Ekel will uns am Leben halten und schützen!

Deshalb ist es ungemein wichtig, den eigene Ekel zu erkennen, im Blick zu behalten und wenn nötig auch bewusst regulieren zu können, gegen wen oder was er sich richtet.

Ist mein Ekel mit meinen Werten vereinbar oder muss ich ihn an der ein oder anderen Stelle in Frage stellen und überwinden um meine Integrität zu bewahren?

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