Krisenreaktionen – und wie man damit umgehen kann (Teil 1)

Krisenreaktionen – und wie man damit umgehen kann (Teil 1)

Es ist völlig normal, in der derzeitigen Situation Angst zu haben. Wir sind alle mit Umständen konfrontiert, wie wir sie noch nie erlebt haben. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Wie lange das alles noch dauert und was noch kommt. Unsicherheit und unbekannte Risiken machen einfach Angst. – Also mir sind da eher die Menschen suspekt, die von sich behaupten, dass sie keine Angst haben.

Wenn wir in eine außergewöhnliche und unerwartete Krisensituation geworfen werden, ist für unser Hirn das Wichtigste, dafür zu sorgen, dass wir so sicher wie möglich da durchkommen. Blöderweise fährt das Hirn dabei ziemlich auf Autopilot und lässt uns am Ende glauben, dass das, was uns da so alles durch den Kopf geht, schon sehr vernünftig und vor allem gut begründet ist.

ABER:  Nicht jede spontane Reaktion auf eine Krise ist wirklich günstig.

Es ist gerade jetzt wichtig, die eigenen Reaktionen und Handlungsmuster auf dem Prüfstand zu stellen. Denn es könnte sein, dass Angst dich so im Griff hat, dass du nicht mehr scharf denken kannst und eben gerade keinen klaren Kopf hast. Selbst, wenn du das felsenfest glaubst. Sehr gemein!

Wenn die Angst zu groß zu werden droht, schaltet sich ein Schutzprogramm ein. Das geht meistens völlig unbewusst über die Bühne. Im blödesten Fall merkst du noch nicht einmal, dass das Programm läuft und du im Hintergrund eben doch Angst hast. Dann war deine Psyche zwar super-erfolgreich -du merkst deine Angst schließlich nicht mehr- doch leider kann dadurch deine Kapazität für das Probleme lösen ziemlich eingeschränkt werden.

Drei typische Reaktionen sind:

  • Betriebsamkeit
  • Wut
  • Ignorieren

Diese drei Reaktionsmuster gibt es nicht nur in „Reinform“. Vielleicht ist deine Reaktion auch eine Kombination daraus oder du schwankst in deinem Verhalten hin und her. Auch das ist in einer solchen Situation völlig normal. Da du so etwas noch nie erlebt hast, hast du auch keine verlässlichen inneren Informationen darüber, wie du mit „so etwas“ am besten umgehen kannst.

Es gibt natürlich auch noch andere Krisenreaktionen, aber diese drei stehen uns besonders häufig im Wege. Zum Beispiel kann auch noch so etwas wie eine „Schockstarre“ ausgelöst werden. Meistens ist dabei aber Angst spürbar. So stark, dass sie lähmt. (Dazu mehr an anderer Stelle.)

Hinweis:
Viele müssen gerade extrem aktiv sein, damit der Laden weiter läuft. Zum Beispiel alle Menschen, die im Pflegebereich arbeiten oder anderweitig den Laden am Laufen halten. Und es gibt gerade gute Gründe, wütend zu sein. Sei es auf rücksichtslose Menschen oder Dinge, die gerade so richtig schief laufen. Und mal einen Moment abschalten, um Kraft zu schöpfen hat auch nichts mit Ignorieren zu tun. All das ist ausdrücklich nicht gemeint.

Es geht hier vielmehr um Verhaltensweisen, die verhindern, dass Menschen sich zielgerichtet und mit Augenmaß um die Lösung ihrer Probleme kümmern können.
Betriebsamkeit, Wut und Ignoranz sind dann HINDERLICH für manche Menschen, wenn sie eigentlich nur der Verdrängung von Angst dienen. Denn diese unterdrückte Angst kann dann im Hintergrund unbemerkt Schaden anrichten.

Dass das durchaus auch sinnvolle Reaktionen sein können, macht es ja gerade so kniffelig. Wenn diese Reaktionen keinen Sinn für uns hätten, hätten wir sie ja schließlich auch nicht eingebaut. Evolutionär hat uns das alles mal geholfen. Jetzt haben wir es allerdings gerade nicht mit einem Säbelzahntiger zu tun. Bewusst hinschauen und hinterfragen, was gerade dran ist, ist momentan das Entscheidende.

Betriebsamkeit – „Ich hab’s im Griff!“

Sobald du etwas tun kannst, kehrt auch ein Gefühl von Kontrolle zurück.

Ein gutes Beispiel dafür ist das Hamstern, das zurzeit mancherorts zu beobachten ist. Die ganze Situation mag größer sein als man selbst, aber man kann noch für sich selber sorgen! Und wenn es dadurch ist, dass man Klopapier kauft.

Das erleichtert deshalb enorm, weil es bestätigt, dass man ein Mensch ist, der die Lage noch im Griff hat. Also kein Grund für Angst besteht.*

Für dich ist es vielleicht nicht das Horten von Klopapier, sondern ein anderes Verhalten, dass dir das Gefühl von Kontrolle gibt. Alles in dir verlangt danach, etwas zu tun, um die angstauslösende Situation doch bitte endlich zu beenden. Dann machst du halt etwas. Irgendetwas.

Nichtstun ist schwer auszuhalten, wenn man Angst hat.

Wenn du also merkst, dass du in hektische Betriebsamkeit verfällst, kann es sein, dass einfach nur ein Schutzprogramm gegen Angst gestartet hat. Deine Handlungen mögen dir vielleicht sogar völlig plausibel erscheinen, haben aber unter Umständen nichts mit einer echten Problemlösung zu tun.

Mir ging es in der vorvergangenen Woche so: Mein Hirn hat sich förmlich überschlagen, um mich mit großartigen Ideen dafür zu versorgen, wie ich die Krise jetzt als Chance begreifen kann. Was hatte ich nicht alles für großartige Projektideen. – Was ich dabei wirklich und ernsthaft vergessen hatte – und es erscheint mir im Nachhinein völlig absurd – ist, dass ich selber zu einer Risikogruppe gehöre. Statt mir also vor allem Gedanken über mein eigentliches Problem zu machen (Wie bleibe ich gesund?), habe ich mich mit ganz etwas anderem beschäftigt. Das machte mit deutlich weniger Angst, war aber nicht besonders clever. irgendwann fiel dann immerhin der Groschen.

Wenn es dir im Moment gerade extrem schwer fällt, still zu sitzen und du wie eine aufgescheuchte Hummel durch die Gegend saust, kann es sich lohnen, genau das zu tun: Stillsitzen und in dich hineinhören.
Damit erhöhst du deine Chance, die Probleme zu lösen, die wirklich da sind.

Was tun?

Alle diese Methoden helfen dabei, zur Ruhe zu kommen und dich deinen Ängsten auf dosierte Art und Weise zu nähern.

  • „Journaling“ – das ist etwas anderes als Tagebuch schreiben. „Journaling“ ist entweder strukturiertes Schreiben mit einem Schreibimpuls oder „free writing“, wobei du einfach das aufschreibst, was dir durch den Kopf geht. Ohne Zwang was Rechtschreibung, Grammatik, Struktur oder sonst etwas angeht. Deine Gedanken aufschreiben, so wie sie gerade kommen.
  • Meditationsprogramme können helfen, dich zu fokussieren und zur Ruhe zu kommen.
  • PMR – Progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Dabei werden unter Anleitung (gibt es auch online) nacheinander alle Muskelgruppen im Körper angespannt und wieder entspannt. Funktioniert auch super, wenn man schlecht einschlafen kann.

Zurzeit praktiziere ich übrigens alle drei…😊

(Teil 2 der Artikelserie wird sich dann mit Wut, Teil 3 mit Ignorieren beschäftigen.)

*Wir fühlen uns übrigens umso besser, je größer der Gegenstand ist, den wir für uns kaufen und wenn er der eigenen Körperpflege dient.
Quelle: https://www.vice.com/de/article/g5xm87/warum-kaufen-menschen-klopapier?utm_source=pocket-newtab



1 thought on “Krisenreaktionen – und wie man damit umgehen kann (Teil 1)”

  • Vielen Dank, liebe Claudia, Deine Worte finde ich sehr treffend und wahr. Meine Lieblingsstelle ist die mit der Hummel! Ein Verhalten, das ich (von mir) (und von anderen) nicht nur in der aktuellen Krise kenne. An die PMR hatte ich so noch gar nicht gedacht, obwohl ich sie kenne. Vielleicht kannst du Lesern einen Link zu einem Video oder eine Audiodatei anbieten, die es noch nicht kennen, und gerne mit Anleitung versuchen wollen?
    Viele Grüße

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